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Juli, September 23

Text | engl. | Abbildungen



Künstler: Manuel Knapp

Manuel Knapps künstlerisches Tun ist seit nunmehr vier Jahren wesentlich von Natur, vom Topos des Waldes bestimmt. Für seine Waldprojektionen geht er bei absoluter Dunkelheit, vorzugsweise bei Neumond, mit Beamer und Kamera in den Wald, um eigens hierfür entwickelte SW-Animationen zu projizieren und zu filmen. Der Wald ist jedoch seither auch „Urgrund“ und Denkfigur anderer Arbeiten, aus denen sich die Ausstellung Non-Transient speist. Sowohl Knapps Waldprojektionen als auch seine Metallobjekte und Tuschemalereien gründen kontemplativ, prozesshaft wie auch reflexiv im Wald. Der Topos des Waldes findet sich dabei nicht zwingend abbildhaft in den Werken wieder. Der Wald stellt vielmehr eine erweiterte, radikale Wahrnehmungssituation dar. Er fungiert als eine die grundlegenden Bedingungen des Sehens, und noch wichtiger, als eine die vertraute ontologische Ordnung erweiternde Instanz.

Das Thema des Waldes war bei Knapp keineswegs „geplant“, der Künstler ist, wie er selbst beschreibt, in seinem Sehen und Denken, jenseits kultureller, gesellschaftlicher Konventionen wie der des Ateliers, der Galerie, der Institutionen, vielmehr im Wald „gelandet“. Auf dem Grundstück eines Freundes bei Alland bei Klausen-Leopoldsdorf in Niederösterreich fand er die Möglichkeit, abseits urbaner Strukturen und Routinen ungestört, auch bei vollkommener Dunkelheit im Wald zu arbeiten.

Der Wald ist bei Knapp nicht nur kulturgeschichtlicher Topos, ein Ort des latent Unheimlichen, der Gefahr, ein Ort anderer Ordnung. Er birgt per se auch eine archetypische, zeittranszendierende Dimension. Knapp sieht im Gehen in den (dunklen) Wald auch ein wesentlich psychologisches Moment. Umso mehr wollte er die nächtliche Schwärze, die oftmals gar stoffliche Qualität anzunehmen vermag, näher kennenlernen und tiefer verstehen. „Sich der Dunkelheit auszusetzen“, so Knapp, „macht etwas mit Dir. Einerseits verliert man sich in ihr, andererseits findet man zu sich. Man findet etwas anderes, sieht und hört andere Sachen, weil gewisse Sinne ausgeschaltet und andere aktiviert werden“. Der Wald ist nicht nur ein besonderer Raum augmentierter, zugleich stets basaler Wahrnehmung, er ist auch eine die Zeiten verbindende Größe, die Gegebenes mit Werdendem in Beziehung setzt. Die von Knapp bevorzugte Situation der tiefen Nacht lässt die radikale Gegenüberstellung des wahrnehmendem Ich mit der Welt (angesichts kosmischer Dunkelheit, Gestirn) exemplarisch für ein sich seit der griechischen Antike fortspinnendes philosophisches Fragen nach dem existentiellen Verhältnis von Sich zur Welt erscheinen.

Zwar findet sich keine der erwähnten nächtlichen Waldprojektionen in der Ausstellung wieder, die einstündige Soundarbeit In die Dunkelheit konfrontiert den Betrachter jedoch sehr wohl, wenn auch auf andere Art und Weise, mit Dunkelheit, genauer gesagt mit dem Übergang vom Tag zur Nacht. In einer ungeschnittenen Aufnahme (Fieldrecording) überlässt Knapp den Rezipienten dem Einbruch der Dunkelheit, der Dämmerung im Wald. Während zu Beginn noch Naturlaute, insbesondere Vogelgesang, zu hören ist, weicht das artikulierte Geschehen langsam einem beinahe noiseartigem Kontinuum moderater Windgeräusche. Der Hörer, hier kontemplativ-imaginärer Betrachter, wird zum Zeugen einer schleichenden Verwandlung des belauschten Waldstücks. Bis auf wenige Knacks- und Bewegungsgeräusche sieht sich der Rezipient schließlich gänzlich mit einer bloß vermeintlichen Stille des dunklen Waldes konfrontiert. Entgegen des Beginns des Hörstücks sind kaum noch Tierlaute zu vernehmen. Doch der Schein trügt. Wenn auch die ornithologische Kommunikation verstummt, so gehört der Wald bei Nacht, so Knapp, doch wesentlich den Tieren. Er gehört jenen Lebewesen, die im Dunklen wahrnehmen können. Oder besser gesagt jenen Tieren, deren Sinne für die Dunkelheit ausgestattet und angepasst sind. Quasi als Elementares, als Raum natürlichen Eigenklangs, wird der nächtliche Wald hier zu einer imaginären Größe, die den Sinnen zu entgleiten scheint. Insofern ist die Soundarbeit, um dem Thema der Dunkelheit gerecht zu werden, vielleicht sogar direkter und wesensverwandter als jeglicher bildliche oder filmische Versuch, ihrem letztlich mystischem Charakter näher zu kommen.

Manuel Knapp ist im Wesentlichen experimenteller Künstler. Er arbeitet nicht auf ein bestimmtes Resultat hin, das gelenkt, hergestellt, also gestaltet ist, sondern schafft vielmehr ein perzeptives Setting, eine ästhetische Rahmenbedingung – hier des Waldes – in der er bestimmte Parameter festlegt, andere frei gegeneinander laufen und miteinander wechselwirken lässt. Er versteht den künstlerischen Prozess dabei grundlegend als Kooperation mit dem Wald. In Bezug auf den Ort und die „Bedingung“ des Waldes bedeutet dies zugleich ein Sich-Aussetzten gegenüber elementaren Bedingungen. Knapp lässt den gesicherten und vermeintlich neutralen Rahmen des Ateliers hinter sich, um mit den Elementen des Waldes, mit Bäumen, Wind, Wasser und Sonne zu arbeiten. Er scheint hierin nicht nur eine Öffnung in Richtung erweiterter Räumlichkeit und Zeitlichkeit anzustreben, sondern sinnt im wahrsten Sinn auf Größen und Ordnungen, die das schlicht Gegebene übersteigen.

Die geviertartigen Metallobjekte der Serie de anima haben ihren Ursprung im klanglichen Experimentieren und Arbeiten mit Metallplatten, die Knapp, der seit vielen Jahren auch Noisemusiker ist, mittels Piezo-Membranen zum Klingen bringt. Eine stark gealterte Platte, die der Künstler aufarbeiten wollte, um sie zum Klangkörper zu machen, führte im Prozess des Schleifens und Polierens jedoch in eine andere, dezidiert piktorale und objekthafte Richtung. Der Prozess der manuellen Schleifpolitur verlieh der Platte ein ganz eigenes, besonderes Spiegelverhalten, das für Knapps Metallobjekte aus Stahl, Messing und Kupfer grundlegend wurde.

Die geviertartigen Spiegelobjekte aus in vielen Durchgängen geschliffenen Metallplatten sind nicht als einfache Spiegel misszuverstehen, sie stellen vielmehr „individuierte“ Objekte dar. Knapp schleift die Metallplatten mit immer feineren Körnungen, bis sich ein individueller Glanz herausbildet. Die Platten zeigen teils mittels Stichel und anschließend behutsamem Schliff herauspolierte geometrische Flächenformen wie Rechtecke oder Quadrate, die dem umgebenden matten Rohmetall kontrastierend gegenüberstehen. Das jeweilige Metall wirft nicht nur Licht zurück, sondern scheint auf je ganz eigene Weise zu strahlen. Jede Platte erhält so ihr eigenes Reflexionsgeschehen, ihren eigenen „Blick“. Der Metallspiegel erlang so ein Eigenleben, ist in seinem Objektstatus dabei jedoch keineswegs statisch, sondern verändert sich auch. Er „merkt“ sich jede Berührung und altert durch Oxidation. Beinahe in einem animistischen Sinn, im Sinne eines Gegenübers, tut die Platte etwas für den Betrachter, braucht aber auch Zuwendung und Pflege, so sie ihr ästhetisches Vermögen behalten will. Im Sinne eines zu Beginn unberührten Mediums, das empfindlich für Spuren und Indizes ist, bedarf es der Schonung und der „Erholung“. Einer Behausung gleich baut Knapp folglich für einen der Spiegel einen Holzkoffer, einerseits zum Schutz, andererseits um die Spiegelobjekte an verschiedene Orte, an unterschiedliche Wirkstätten bringen zu können. Letztlich dient die Behausung dem Metallspiegel auch als Residuum, als Ort, sich zu erholen, nicht sehen und blicken zu müssen.

In einem derartigen Spiegel sieht man anders, erkennt sich anders. Denn die Spiegelobjekte Knapps bringen stets auch leichte Verzerrungen mit hervor. Man sieht sich, die Welt, unregelmäßiger, unschärfer, sodass ein Nachdenken über jenes Reflektierte einzusetzen vermag. Beim Spiegelverhalten kommt es zudem einerseits sehr auf das Licht an, andererseits auf die Art des Metalls. Kupfer mutet ob seiner Wärme sehr persönlich, ja intim an. Insbesondere der Kupferspiegel bedingt ein Sehen, das tiefer als bloß vordergründige Sichtbarkeit zu reichen scheint. Stahl wiederum spiegelt anders, kühler und nüchterner als Kupfer oder Messing. Die Stahlspiegel sind auch jene, die Knapp mit in die Natur, in den Wald nimmt, um sie dort wirken, blicken zu lassen.

Knapps Spiegelobjekten ist ein grundlegender Zweifel an der Sichtbarkeit erster Ordnung inhärent. Eben weil die Platten latent unregelmäßig abbilden, wird evident, dass es nicht (länger) um das Oberflächliche der Erscheinung geht, um banale Formen des Spiegelns, des Sich-Sehens und Betrachtens, auch nicht um Formen ästhetisierender Betrachtung. Bild (Spiegelbild) und Wirklichkeit scheinen vielmehr einen subtilen Raum der Differenz, eine Art ontologischen Spalt aufzuweisen, der nicht durch mehr Perfektion (der Spiegelung) kompensiert werden will, sondern der auf andere, tiefere Lagen des Sehens – im Sinne von Erkennen – hindeutet.

Das Vermögen der Spiegel ist im Innen- und Außenraum unterschiedlicher Natur. In beiden Fällen scheint jede Platte die Welt auf eigene Weise zu zeigen. Doch während die Spiegel im Inneren den Blick mehr auf Personales, auch Formen des Ich zurückzuwerfen, schaffen sie im Außenraum, in der Natur, einen Raum im Raum. Sie entfalten ihre Wirkung ambivalent, in der Kontradiktorik unterschiedlicher Räume – des Sichtbaren und Nichtsichtbaren. Knapps Metallspiegel sind weniger visuelle Spiegel, als vielmehr die Sichtbarkeit transzendierende Membrane, die unterschiedliche Seinszustände der Wirklichkeit miteinander in Beziehung setzen. Sie bilden Scharniere von Physis und Metaphysik. Und doch bergen sie stets ein basales, in der Wahrnehmung gründendes, einfaches Moment der Anschauung. Gleich einem Fenster in eine andere ontologische Ordnung lassen die Metallspiegel das Hier und Jetzt des Reflektierten, Sichtbaren, mit seinem tieferen Wesen in Beziehung treten. Knapp versteht die einzelnen Spiegel demnach nicht als optische, ästhetische Instrumente, sondern vielmehr als metaphysische Membran, denen letztlich selbst etwas Seelenhaftes zu eigen ist.

In den Tuschebildern der Serie de natura konfrontiert Knapp den Betrachter mit Auszügen eines malerischen Prozesses, der sich nicht nur in sondern mit der Natur ereignet. Knapp arbeitet hier mit sämtlichen Aspekten und Elementen, die sich im „Setting“ des Waldes finden lassen, er arbeitet mit Licht, Wind, Geäst, aber auch mit der Hitze der Sonne. Der Künstler ist hier kein sich artikulierendes Subjekt, das sich des Materials bedient, sondern, wie es für die experimentelle Haltung Knapps bezeichnend ist, schafft vielmehr Bedingungen, um die vorhandenen, gegeben Kräfte und Agenzien auf- und miteinander wirken und interferieren zu lassen.

Das Bild, das anfangs stets liegend mit Wasser, Tusche und teilweise auch Öl besprenkelt wird, durchläuft unterschiedliche Prozeduren. Das Vertreiben der Farbe, beispielsweise das Vermalen mit Ästen, lässt hierbei wohl noch am ehesten an Malerei im klassischen Sinn denken. Auch das erneute Aufspritzen von Wasser auf/in die trocknende Tusche hat noch eine internationale Note. Jenseits dieser eher invasiven Interaktionen bedient sich Knapp jedoch in gleichwertiger Weise der Wirkungen der Schwerkraft, die auf die verrinnende oder trocknende Farbe, etwa im langsamen Bewegen des Bildes, einwirkt. Zudem arbeitet er mit der Wirkung der Sonne, die die tiefschwarze Tusche stark erhitzt und so ihr bildliches Verhalten stark mitbestimmt, und er arbeitet auch mit dem Wind, der auf das Farbgeschehen einwirkt. Hier scheint die Bildgenese also zunehmend der Autopoiesis natürlicher Einflüsse und Prozesse überantwortet, während das Subjekt in den Hintergrund tritt.

Unterhalb der schwarzen Tusche, die große Teile des liegenden Bildes flächig bedeckt, unter jenem dunklen Spiegelgeschehen, das beim Arbeiten im Wald die sich spiegelnden Bäume zeigt, scheint sich das Bild in der Art einer „blinden Malerei“ teilweise selbst zu malen. Die Schwärze der Tusche beschleunigt dabei ihre Trocknung durch Verdampfen. Hellere, wässrige Stellen trocknen ungleich langsamer und verbleiben somit auch heller. Insofern könnte man durchaus von einem gewissen Einbrennen der Dunkelheiten sprechen. Das finale Bild, das sich erst nach dem Abspülen und Auftrocknen zu erkennen gibt, gleicht somit mehr einem Freiliegen, einer Art Ausgrabung, als einem gerichteten, geformten Bildgeschehen.

Manuel Knapp beschreibt den Moment, in dem das Bild aufgerichtet und die noch nicht getrocknete bzw. eingezogene Farbe abgewaschen wird, als radikal, als ein Stoppen und Einfrieren des Prozesses. Mit diesem Zeitschnitt wird die Bildgenese arretiert und gleichsam fixiert. Dieses Momentum bedarf, ob der Unumkehrbarkeit und Endgültigkeit des Geschehens, des Muts. Hierin widerspiegeln und akkumulieren sich letztlich auch grundlegende werkhafte Fragen. Die Frage nach dem „richtigen“ Zeitpunkt mündet alsbald in der Frage nach dem Was, der Frage nach der Form, der Gestalt. Doch derlei Prämissen finden im Werk Knapps keinen Widerhall. Der Künstler gestaltet nicht, er artikuliert nicht, sondern sucht vielmehr den Dialog mit Material und Natur. Der Mut gilt somit gleichermaßen dem Zulassen, ergo dem Zurückdrängen der eigenen Intention. Und dennoch geht es hier auch nicht um die Auflösung der Autorschaft, des Intentionalen. Knapp schafft vielmehr einen ästhetischen Handlungsrahmen, um der Dialektik, ja teilweisen Kontradiktorik von Tun und Lassen, von Form und Nichtform nachzugehen. Hier geht es also weder um das Negieren des Selbst, sehr wohl aber um ein Ringen mit den Limitierungen, die gerade die Instanz des Willens schafft, sowie um die Verknappungen des Blicks, der in vorauseilender Antizipation oft innerer, eigener Regeln der „gelungenen“ Form, des „guten“ Bilds, das Geistige im Sehen und Erkennen opfert. Insofern ist Knapp auch keineswegs an Wiederholungen interessiert, gar, um eine bestimmte Form zu erreichen. Im Gegenteil, dort, wo „Gelungenes“ sich zu erkennen gibt, hat alsbald eine Verschiebung, eine Verlagerung des Tuns zu geschehen, eben, um am Gelungenen nicht festzuhalten, es im schlimmsten Falle wiederholen zu wollen. Das einzelne Tableau ist insofern nie gestaltetes Bild, sondern Auszug komplexer ineinandergreifender Vorgänge, zuerst des Physischen (Schwerkraft), Chemischen, dann des Nichtgerichteten, Autopoietischen und schließlich des Nichtsichtbaren, Transzendenten. Die Tableaus sind also weder écriture automatique der Natur noch subjektives Tun, sie ereignen sich im Interferenzfeld von Subjekt und Natur/Welt, Intention und Non-Intentionalität (Nicht-Gerichtetheit). Knapp versteht die Natur als eine Größe und Ordnung, die ihn einlädt ein, mit ihr zu arbeiten. Seine Malerei ist ein dialogisch-indexikalisches Schreiben und Malen mit dem Wald, mit den Gegebenheiten der Natur. Hier geht es nicht um ein Entweder-Oder, sondern um das Ineinander von Gegensätzen, von Prozess und Gestalt, Aktion und Kontemplation, Gestalt/Ordnung und Chaos (Noise), Materiellem und Geistigem. Dem Künstler geht es letztlich um einen grundlegenden Sinn von Freiheit, eines Freien, das sich nicht auf das Individuum, den bloßen Willen bezieht, sondern auf seine Begegnung und sein Verhältnis mit der Natur, mit der Welt.

Seitens des Betrachters geben die Bilder Knapps komplexe, dichte, das Auge nicht selten überfordernde Strukturgeschehen und Gestaltformation zu sehen, die zwischen Mikro- und Makrostrukturellem, zwischen Nähe und Ferne, Schärfe und Unbestimmtheit changieren. Jeglicher Versuch, den Strukturgeschehen mit vertrauten Ordnungsschemata und Raumvorstellungen (der Physis, der Triaxialität) zu begegnen, sie zu verdinglichen, verlaufen im Leeren und sind zum Scheitern verurteilt. Die bildhaften, äußerst affizierenden SW-Formationen verweigern, ihrer habhaft werden zu können, sie einer klaren Interpretation zuzuführen. Sie erweisen sich als Entstandenes, nicht als Gemachtes, sie sind nicht ins Bild gesetzte, gearbeitete Artikulationen, als vielmehr Strukturen und Figurationen, die zur Erscheinung gelangt sind.

Rezeptionsästhetisch gibt es hier schlichtweg kein finales Bild, der Blick vermag immer wieder an anderer Stelle zu ankern und weiterzulesen. Die Sichtbarkeit ereignet sich — quasi in Spiegelung der Dialektik von Aktion und Kontemplation im ästhetischen Tun Knapps – dabei spontan, in situ. Der Sehsinn fungiert hier in hohem Grade als eigenständiges Instrument, als hervorbringerische Kraft. Weitab jeder Beliebigkeit oder bloßen Zufälligkeit geht es um ein Hervorbringen einer Sichtbarkeit von Dingen und Kräften, die sich der Unmittelbarkeit der Wahrnehmung entziehen, die mehr mit dem Wesen der Elemente und Kräfte zu tun haben, mit denen Knapp hier kooperiert, mit Wald, Schwerkraft, Wind, Sonne. Das Bild scheint sich nach dem Nichtsichtbaren, Prinzipiellen, nach einer die Materie (und Natur) übersteigenden Dimension auszustrecken. Die Frage nach dem Autorhaften, Schöpferischen, verschiebt sich hierbei subtil und doch auch radikal in Richtung des Mystischen, der Natur, der Welt.

Knapps Arbeiten handeln nicht von bloßen Grenzen der Wahrnehmung. Sie bedienen sich vielmehr der Ränder und Extreme der Wahrnehmung, um Formen ontologischer Umgruppierung zu provozieren. In diesem Sinn zeigen seine Wald- und Metallarbeiten radikal perzeptive Anordnungen, um einerseits über die Ordnung der Dinge nachzudenken und andererseits, tiefergehend Kategorien des Seins zur Disposition zu stellen. Wald, Licht und Dunkelheit sind so betrachtet nicht Wahrnehmungsmomente, Dinge, die man sehen und verdinglichen kann. Sie stellen bei Knapp vielmehr Phänomene dar, die er auf elementare Weise, Elementen gleich, begreift und in experimentellen Anordnungen auf ästhetisch unmittelbare, ästhetikologische Weise nach ihrem Wesen, ja ihrem Gehalt fragt.

Die Arbeiten Knapps erlauben dem Betrachter, das eigene Verhältnis von Wahrnehmung und Sein als permeables, herausforderndes und nie gesichertes oder gegebenes Verhältnis zu begreifen. Sie zielen auf eine erweiterte, durchlässige und doch stets reziproke Beziehung von Perzeption und Sichtbarem, Sichtbarem und Nichtsichtbarem. In diesen Arbeiten geht es bei Weitem nicht allein um Sensorisches, Perzeptives, Liminales, sondern mittels der sinnlich provozierten Veränderung und Erweiterung der Wahrnehmung – durch eben dieselbe –, um das Moment der Transzendenz im Sehen und Wahrnehmen. Nichts ist im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen gewesen ist (Thomas von Aquin). Doch ebenso gilt hier, dass das, was in die Sinne gelangt, alsbald schon im Wahrnehmen als Abstraktum, als Noumenon erscheint, als Bereich, der sich der unmittelbaren Wahrnehmung per se (wieder) entzieht.

 

David Komary